New Work über den Tellerrand hinausgedacht

Klaus Botta, 22.08.2023

Viele denken bei dem Begriff „New Work“ vor allem an die Digitalisierung der Arbeit, an Beschäftigung im Home-Office, verringerte Arbeitszeiten, „Remote Work“ – also ortsunabhängigem Arbeiten, bis hin zum sogenannten „Workation“ ein Kunstwort aus den Begriffen Work und Vacation. Gerade für jüngere Arbeitnehmer wie die Generation Y  und die Gen Z spielt die harmonische Koexistenz von Beruf und Privatleben eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt haben auch der Umweltschutz und die Resourcenschonung einen bedeutenden Stellenwert beim Phänomen „New Work".

In diesem Artikel versuche ich aus meiner Erfahrung als Unternehmer, Arbeitgeber und reflektiertem Bürger einige zusätzliche Aspekte anzusprechen, die aus meiner Sicht bisher keine oder zu wenig Berücksichtigung finden.

Sie, als geschätzte Leser, werden diesmal keine Hinweise oder Analogien zu unseren Armbanduhren finden, weil ich der Meinung bin, dass ein solch wichtiges Thema es verdient hat, unabhängig von eigenen Zielen und Interessen angesprochen zu werden.

 

„New Work“ im Sinne der Anpassung bzw. Neugestaltung unserer Arbeitswelt ist aus meiner Sicht keine Mode oder Option, sondern eine Notwendigkeit, um den anstehenden Veränderungen in unserer globalisierten Welt Rechnung zu tragen. Allerdings ist die differenzierte Berücksichtigung aller aktuellen Rahmenbedingungen und Motiven für die Umgestaltung der Arbeitswelt entscheidend für den Erfolg solcher Veränderungen.

Wenn Bequemlichkeit und Eigennutz die bestimmenden Kräfte für Veränderungen sind, wird unsere Wirtschaft (und damit wir alle) irreversiblen Schaden nehmen. Wenn sich der Blick allerdings auf die Veränderungen der globalen Gegebenheiten (rapide wachsende Bedeutung von aufstrebenden Ländern) und der lokalen Möglichkeiten (neue Werte, neue Bildungsstruktur, neue Arbeitsmittel) richtet, kann New Work dabei helfen, den hart erarbeiteten Wohlstand unserer Gesellschaft – zumindest halbwegs – zu erhalten. „New Work“ muss allerdings immer sowohl im lokalen als auch im globalen Umfeld betrachtet werden. 

Der Wohlstand Europas und im Besonderen Deutschlands beruht im Wesentlichen auf außergewöhnlichen geistigen Leistungen, verknüpft mit viel Fleiß und persönlichen Engagement. Ohne diese drei Komponenten wird es zukünftig hierzulande keinen vergleichbaren Lebensstandard mehr geben, denn die Welt um uns herum hat sich verändert und verändert sich rapide weiter. Das gilt in Besonderem Maße für aufstrebende asiatische Staaten wie China und Indien.

Unsere Vormachtstellungen und Wissensmonopole schwinden zusehends, und zwar im gleichen Maße, wie diese Staaten in puncto Innovation und Produktion voranschreiten.

Das ist ein Wettlauf, den wir quantitativ niemals gewinnen können – nur qualitativ. Allerdings können wir auch mit den besten Ideen und Konzepten bei immer weniger Arbeitszeit nicht gegen die schier unerschöpfliche Arbeitsleistung und die Rahmenbedingungen in Asien bestehen. Neben Intelligenz und Innovationskraft sind auch in Zukunft weiterhin Fleiß und ideelles Engagement gefragt. Darüber hinaus braucht es allerdings auch den Willen zur Veränderung. So sollten wir vor allem unsere Kernkompetenzen erkennen, weiter ausbauen und auf der Gegenseite unsere lähmende Bürokratie drastisch abbauen.

„Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein“. Das Zitat von Philip Rosenthal bringt es auf den Punkt.

 

Ich mag den Begriff „Human Resources“ nicht besonders. Erstens degradiert er Menschen zu Ressourcen, so wie Erdöl, Erz, oder Energie. Menschen sind vielmehr Individuen und Persönlichkeiten mit spezifischen Fähigkeiten und Schwächen.

Je höher eine Tätigkeit qualifiziert ist, desto weniger ist ein dort tätiger Mensch durch einen beliebigen anderen ersetzbar. Das unterscheidet Menschen grundlegend von „nichthumanen Ressourcen". 

Der Schlüssel für den Erfolg unserer westlichen Gesellschaft liegt aber gerade in dem spezifizierten und individualisierten Einsatz von Menschen.

Mit anderen Worten: Nur wenn Menschen dort arbeiten, wofür sie besonders gut geeignet sind, können sie ihr Potential voll ausschöpfen und einen hohen produktiven gesellschaftlichen Beitrag leisten. Wenn das gelingt, ist eine solche Gesellschaft enorm leistungsfähig und damit wirtschaftlich bedeutsam und geopolitisch relevant.

New Work muss dementsprechend schon bei der „New Education“ (Bildung) starten, wenn die später daraus resultierende „New Work“ effizient und erfolgreich sein soll.

 

Die Wahl der Berufsrichtung ist meiner Meinung nach die zweit-wichtigste oder vielleicht sogar wichtigste Entscheidung im Leben eines Menschen. Zum einen verbringt er/sie üblicherweise einen beträchtlichen Teil des Lebens mit beruflichen Tätigkeiten, zum anderen prägt kaum eine Tätigkeit so sehr, wie der Beruf. Von daher gebührt der Berufswahl eine besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt.

Folglich wird es eine wesentliche Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft sein, dass Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten und ihren Charakteren eingesetzt werden. 

Mensch A ist nicht gleich Mensch B. Neben unterschiedlichen Begabungen gibt es auch unterschiedliche Motivationsgrade. Während der eine möglichst viel Freiheit und Selbstbestimmung braucht, benötigt und schätzt ein anderer klare Vorgaben und Grenzen, um sich in seinem Arbeitsumfeld sicher und zielorientiert bewegen zu können. Das Erkennen von Stärken und Schwächen, sowie die typgerechte Einordnung und passende Bildung sollten immanenter Bestandteil und ständiger Begleiter der schulischen und beruflichen Ausbildung sein. New Work muss, wenn sie gelingen soll, nicht erst im Beruf, sondern bereits in den vorschulischen und schulischen Bildungsmodellen beginnen. New Work muss deduktiv gedacht und induktiv implementiert werden.

 

Ich behaupte, dass Menschen, die in ihrem idealen Kompetenz- und Leistungsbereich arbeiten, automatisch wesentlich leistungsfähiger und zufriedener sind (= intrinsische Motivation) – auch ohne Incentivierung (= extrinsische Motivierung). Das ist eine ideale Voraussetzung für eine sehr leistungsfähige und zufriedene Gesellschaft. Und damit ein echtes Ziel für New Work.

 

Wir leben als Gesellschaft in einem Wohlstand, der im Wesentlichen nicht auf den Leistungen unserer eigenen Generation fußt, sondern auf denen unserer Vorfahren. Die Leistungen unserer Generation werden wiederum entscheidend für den Wohlstand unserer Nachkommen sein. Es existiert also immer eine beträchtliche Verschiebung von einer (aktuellen) Aktivität / Leistung und deren Auswirkungen auf den (zukünftigen) Wohlstand einer Gesellschaft. Diese Verschiebung nenne ich „Wirkungsdilatation“ (abgeleitet von der „Zeitdilatation“ - einem Begriff aus der Relativitätstheorie). Wer also eine zukunftsorientierte „New Work“ anstrebt, muss sich auch ihrer Wirkung für die nähere und weitere Zukunft bewusst sein. Egoistisches Denken im Sinne von „möglichst wenig Arbeit“ ist hier nicht sinnvoll und langfristig sicher auch nicht sozial.

 

New Work sollte immer auch volkswirtschaftlich und zukunftsbezogen gedacht werden. New Work ist mehr als nur die Frage „Welche Leistungen und Benefits müssen Arbeitgeber anbieten, um auch in Zukunft noch qualifizierte Arbeitskräfte zu finden und zu halten?“. Wir sollten uns vielmehr die Frage stellen „Wie müssen wir die gesamte Bildungs- und Arbeitswelt verändern, um mit unserer Volkswirtschaft auch in Zukunft noch konkurrenzfähig zu sein?“ Dazu müssen wir viele tradierte Denkweisen und Methoden grundlegend verändern. Quasi durch ein „New Thinking“. Andernfalls droht unsere aktuell noch einigermaßen funktionierende Volkswirtschaft zwischen semiprofessionellen Arbeitsmodellen und einer sich rasant entwickelnden, mächtigen Konkurrenz im Ausland erdrückt zu werden.

 

Für mich ist der aktuelle Modebegriff „Work-Life-Balance“ ein „Denken in die falsche Richtung“. „Work“ ist nach meinem Verständnis vielmehr ein wesentlicher Teil des „Life“ und nicht der Gegenspieler. Selbstverständlich kann das Leben nicht nur aus Arbeit bestehen. Arbeit sollte allerdings möglichst wenig als Last betrachtet werden, die es gilt, möglichst schnell hinter sich zu bringen, damit das eigentliche Leben beginnen kann. Diese Denkweise, die im Wesentlichen auf den Umständen in den Anfängen der Industrialisierung beruht, ist im besten Sinne „Old Work“ und sollte durch ein möglichst selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Arbeiten ersetzt werden. Im Idealfall sollte die Arbeit ein wesentlicher und erfüllender Teil des Lebens sein. Das lässt sich sicher nicht in allen Berufen und zu 100% umsetzen, sollte aber zugunsten einer höheren Leistung und Zufriedenheit aller Beteiligten so weit wie möglich angestrebt werden. Vom Ziel her deckt sich diese Denkweise mit den proklamierten Werten von „New Work“. Der Anspruch steckt in einer sozial verantwortungsvollen Umsetzung.

 

Ich stelle die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, anstelle der oft beschworenen „Work-Life-Balance“ über eine aus meiner Sicht sinnvollere „Statik-Dynamik-Balance“ nachzudenken. Nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen mangelt es den Menschen weniger an Freizeit als vielmehr an sinnvoller Bewegung. Und zwar sowohl in der Freizeit als auch bei der Arbeit.

Unser Arbeitsalltag findet üblicherweise im Sitzen und vor dem Bildschirm statt. Das ist in vielen Fällen unumgänglich, jedoch nicht in allen. Mit etwas Flexibilität und neuem Denken lassen sich bestimmte Arbeiten wie z.B. Besprechungen im kleinen Kreis oder Brainstormings genauso gut oder oft sogar besser während eines Spaziergangs durchführen. Wir bei BOTTA design praktizieren das schon seit vielen Jahren mit Erfolg und guter Resonanz aller Beteiligten. Auch Pausen lassen sich zu aktiver Bewegung nutzen. Mit dem entsprechenden Willen geht hier mehr als man im ersten Moment denkt.

Umso statischer das Berufsleben stattfindet, desto dynamischer und bewegungsorientierter sollte logischerweise die Freizeit sein. Hier lässt sich „der Bildschirm“ oft viel einfacher durch Bewegung und/oder Treffen mit Freunden eintauschen. Soziale Begegnungen statt sozialer Medien. Hier liegt jetzt schon die Balance in der Hand jedes Einzelnen. Hier ist darüber hinaus auch ein gesamtgesellschaftliches neues Bewegungsbewusstsein angebracht. Auch an dieser Stelle können wir viel von traditionellen asiatischen Kulturen lernen, die Bewegung selbstverständlich und harmonisch in den Alltag integrierten.

Klaus Botta

Zufriedene Mitarbeiter entstehen nachweislich nicht durch maximale Incentivierung, sondern durch eine sinnstiftende Tätigkeit. In diesem Sinne sollte die Arbeit der Zukunft demokratisiert werden. Hier sind sicher einige bestehende Arbeitsmodelle nicht mehr zeitgemäß. (Leistungsunabhängige Bezahlung, Vergütung nach festem Zeitschema, etc.) Auch hier wäre eine grundlegende Reform, die auf die aktuellen und zukünftigen Gegebenheiten ausgerichtet ist, sinnvoll.

Die aktuellen Arbeitsmodelle richten sich immer noch an der (frühen) Industriegesellschaft aus und nicht an der längst etablierten Informationsgesellschaft. Natürlich sind hier auch, in Abhängigkeit von der Arbeitsart, Mischformen und Derivate denkbar und sinnvoll (siehe oben). Eine echte Aufgabe für eine sinnvolle und zukunftssichere „Neue Form der Arbeit".

 

Ich hoffe, ich konnte mit meinen sehr persönlichen Erfahrungen und Gedanken den einen oder anderen Denkanstoß liefern, um unsere zukünftige Arbeitswelt auf eine stabile und lebenswerte Zukunft auszurichten.

 

Ihr Klaus Botta

Klaus Botta

7 Kommentare


  • Harry Liebling

    Lieber Klaus, Gratulation zu diesem sehr interessanten Beitrag. Viele leben echt in einem Hamsterrad, egal ob Angestellter oder Arbeitgebender, meines Erachtens sollte ein Umdecken eingeleitet werden, da dieses schneller, weiter, höher und vor allem was mach ich in 5-10 Jahre nicht mehr das Thema sein sollte. Viele gehen arbeiten um sich das tägliche Leben leisten zu können. Meiner Meinung nach, sollte man natürlich auch Ziele haben, nicht nur finanzielle, sondern auch von der Lebensqualität her. Das Wort “Work Life Balance” ist für mich schon seit Jahren ein falscher Ausdruck! Du bringst das echt voll auf den Punkt. Mir kommt auch mittlerweile vor, dass es Gedanken in unserem Alter gibt und Gedanken von sehr jungem Gedankengut. Die Kunst ist es, die beiden anscheinend schier extrem weit von einander entfernten Ansichten in Einklang zu bringen. Jede Ansicht hat bis zu einem gewissen Punkt seine Berechtigung. Ich will kurz was erwähnen, wenn man gerade auf seine Armbanduhr schaut und sieht wie die Zeit voranschreitet, sollte sich bewusst sein, dass jede Sekunde, Minute und Stunde was verstreicht, nie mehr reproduzierbar ist. Die meisten Menschen auf diesem Planeten merken erst diesen Punkt wenn sie sehr viel Zeit davon verschenkt haben. Natürlich auch in positiver Zeit aber auch in komplett vergeudete Zeit. Ich kann nur von mir sprechen, denn um so älter ich werde, um so mehr schätze ich die Zeit. Ups jetzt bin ich massiv abgeschweift. Was ich damit sagen möchte ist, dass Du ein sehr weitdenkender und inspirierender Mensch bist, der mich in vielen Punkten bereichert und froh bin das wir uns kennengelernt haben. Ich freu mich schon sehr aufs nächstes Aufeinandertreffen und wünsch Dir alles Gute. Liebe und Uhrige Grüße Harry

  • Alex Neumann

    Es liegt aus meiner Sicht vor allem an den Eltern. Sie haben die Verpflichtung, Ihren Kindern Werte vorzuleben und Unterstützung zu bieten. Dies vor allem in geistigem, liebenden und fördendem Sinne. Die kleinste Keimzelle der Gesellschaft ist die Familie. Nur Familien können eine Gesellschaft voranbringen. Ein liberales und offenes Schulsystem muss neben staatlichen Institutionen Bestand haben.


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