Mechanische Uhr vs. Quarzuhr – Teil 1: Uhren mit mechanischem Antrieb

Klaus Botta, 07.05.2021

In diesem 1. Teil des zweiteiligen Artikels finden Sie grundlegende Informationen über Automatik- und andere mechanische Uhren ­– verständlich erklärt:

Selten teilen sich die Meinungen so klar in zwei Lager wie beim Thema „Antriebe von Armbanduhren“.

Dem einen käme nichts ans Handgelenk, was kein mechanisches Werk besitzt. Der andere schwört auf die Unkompliziertheit einer Quarzuhr.

Anlass für mich, beide Systeme einmal ganz neutral und sachlich gegenüberzustellen. 

Vor- und Nachteile von Handaufzugsuhren und Automatikuhren

Die Handaufzugsuhr bzw. die Automatikuhr.

Für alle Noch-Nicht-Fachleute eine kurze Erklärung der Bezeichnungen:

Eine Handaufzugsuhr ist der Klassiker in der Liga der mechanischen Uhren. Bei ihr wird die Uhrenfeder durch Drehen der Aufzugskrone typischerweise einmal täglich gespannt.

Die „Zeitzählung“ und der Antrieb der Zeiger erfolgt durch bewegte mechanische Bauteile, wie Zahnräder, Wellen, Lager etc. 

Eine Automatikuhr ist eine mechanische Uhr mit einem automatischen Aufzug. Eine rotierend gelagerte Schwungmasse auf der Rückseite des Uhrwerkes verwandelt die Bewegung des Trägers in eine Aufziehbewegung für das Federwerk. Ansonsten ist sie identisch mit einer Handaufzugsuhr und hat im Wesentlichen die gleichen Eigenschaften.

Vor- und Nachteile von mechanischen Uhren

Vorteil 1: Eine mechanische Uhr benötigt keine Batterien und entsprechend auch keinen Batteriewechsel. Sie bezieht ihre Antriebsenergie aus dem bereits oben erwähnten Federwerk, einer aufgespulten Spiralfeder. „Geladen wird das Federwerk“ durch Aufziehen an der Krone oder eben über den automatischen Aufzug. Somit ist eine mechanische Uhr in puncto Energieversorgung immer autonom.

Vorteil 2: (Für Uhrenliebhaber ganz wichtig!) Eine mechanische Uhr hat eine Seele. Ihr Uhrwerk ist ein wahres feinmechanisches Wunderwerk. Unglaublich, welch eine Technik und Präzision in einem solch kleinen Mechanismus untergebracht ist. Auch die evolutive Entwicklungsarbeit, die in einer solchen miniaturisierten Zeitmessmaschine steckt, wird gerne unterschätzt. Ohne unzählige Patente und hoch entwickelte Sonderwerkstoffe, verbunden mit jahrzehntelanger Optimierung, wäre es selbst heute schwierig, ein solches Werk aus dem Stand zu realisieren. Das zeigt sich immer wieder bei Nachbauten erfolgreicher Werke, die nie ganz die Zuverlässigkeit ihrer bewährten Vorbilder erreichen. Hier gibt es durchaus Parallelen zum Motorenbau in der Automobilindustrie.

Vorteil 3: Ein mechanisches Werk fasziniert – vor allem wenn man ihm bei seiner hochpräzisen Arbeit durch einen Glasboden zusehen kann. Da sind einerseits die sich schnell bewegenden Teile wie die Unruh und die Hemmung, aber auch alle anderen hochpräzisen Bauteile, die mit extremer Genauigkeit ineinandergreifen und auf kleinstem Raum unermüdlich ihrer Arbeit nachgehen. Sogar mich als Gestalter und Techniker mit Vorliebe für klare Linien beeindruckt ein stilvoll bearbeitetes mechanisches Uhrwerk.    Technische Ornamente wie „Genfer Streifen“ oder eine „Perlierung“ an der richtigen Stelle können ein Werk nochmals optisch aufwerten. Besonders edel wirken auch farblich galvanisierte Bauteile oder gebläute Schrauben. Auch kräftig rote Rubine in den Lagerstellen setzen stilvolle farbliche Akzente in diesem Gesamtkunstwerk.

Beeindruckend ist generell die Genauigkeit, mit der die einzelnen Bauteile gefertigt und gefinisht sind. Hier bewegen wir uns in der Welt der Mikrometer (ein tausendstel Millimeter). Kaum ein technisches Gerät ist auf eine derart hohe Genauigkeit angewiesen wie eine mechanische Uhr.

Vorteil 4: „Eine mechanische Uhr spricht gut über ihren Besitzer“. Natürlich spricht sie nicht im wörtlichen Sinn, aber sie besitzt einen ausgeprägten Symbolwert. Selbstverständlich ist die Armbanduhr nur eines von vielen Symbolen, mit denen wir uns bewusst oder unterbewusst umgeben, aber sie ist ein sehr wichtiges (siehe auch „Was sagt die Armbanduhr über Ihren Träger aus?“). Je nach Art der Uhr können die Botschaften, die eine solche Uhr aussendet, ganz unterschiedlich sein. Was eine mechanische Uhr in jedem Fall aussagt: Ihr Träger ist ein bewusst lebender Mensch mit Anspruch.

Eine Handaufzugsuhr oder Automatikuhr hat natürlich auch Nachteile (oder Besonderheiten)

Hier sind ein paar Beispiele:

Nachteil 1: Man muss mechanische Uhren täglich aufziehen. Dieser „Nachteil“ entfällt bei Automatikuhren, die täglich getragen und bewegt werden oder ihre Tragepausen auf einem Uhrenbeweger verbringen. Normale Handaufzugsuhren ohne automatischen Antrieb muss man tatsächlich täglich aufziehen.

Wobei ein Uhrenliebhaber sagen würde: „Ich darf meine Uhr jeden Tag aufziehen“. Für viele Uhrenbesitzer ist es tatsächlich ein sehr positives tägliches Ritual, ihre mechanische Uhr durch ein paar Drehungen der Krone täglich mit frischer Energie zu versorgen. Von daher kann der Nachteil Nr. 1 auch als Vorteil Nr. 5 gesehen werden – je nach Perspektive.

Nachteil 2: Eine Mechanikuhr oder Automatikuhr muss nach jedem Stillstand erneut eingestellt werden. Und das passiert in weniger als zwei Tagen, wenn sie nicht bewegt wird. Doch auch hier würden Kenner sagen: Diese kleine Prozedur dauert nur wenige Sekunden, schafft einen persönlichen Bezug zum eigenen Zeitmesser und macht Spaß.

Nachteil 3: Mechanische Uhren sind ungenauer als Quarzuhren. Auch das ist zweifelslos richtig. Auch die teuerste Automatikuhr schafft nicht annähernd die Ganggenauigkeit einer Quarzuhr. Sehr gut eingestellte und gewartete mechanische Werke bewegen sich in einer Toleranz von -0 bis +20 Sekunden / Tag. Viel zu ungenau für Genauigkeitsfanatiker, völlig in Ordnung für Uhrenliebhaber. Schließlich gibt es für die ganz genaue Zeit auch noch andere Zeitmesser.

Nachteil 4: Mechanische Uhren benötigen von Zeit zu Zeit eine Revision. Auch das ist richtig. Etwa alle 5 Jahre sollte man eine solche Armbanduhr einem technischen Kundendienst unterziehen. Auch wenn sie wenig oder gar nicht getragen wurde, jetzt aber wieder in Betrieb genommen werden soll. Moderne synthetische Uhrenöle verharzen zwar nicht mehr wie ihre Vorläufer auf Mineralöl-Basis, aber sie verdunsten im Laufe der Zeit. Zusammen mit dem Abrieb der mechanischen Teile ergeben sich dann hartnäckige Verschmutzungen, die nur durch eine professionelle Reinigung wieder entfernt werden können. Fehlendes Öl in den Lagern führt zum Trocken-laufen und damit zu deutlich erhöhtem Verschleiß.

Eine professionelle Uhrenrevision mit dem Austausch von Verschleißteilen (dies kostet beispielsweise in unserem BOTTA-Service 219€) setzt das Werk wieder in den Neuzustand zurück und erhält damit den Wert und die Ganggenauigkeit der Uhr.

Hier lässt sich eine Analogie zum Auto herstellen. Auch das braucht von Zeit zu Zeit einen Kundendienst, um dauerhaft funktionsfähig zu bleiben.

Nachteil 5: Mechanische Uhren sind empfindlicher als Quarzuhren. Auch richtig. Allerdings sind moderne Werke namhafter Hersteller wie z.B. das ETA 2824-2 oder das ETA 2893-2 überraschend robust. Das liegt vor allem an den ausgeklügelten Stoßsicherungen wie Inkablock, die auch derbe Schläge recht gut verkraften.

Je nach Werktyp gibt es hier ganz erhebliche Unterschiede. Tatsächlich sind hier oft die manufakturell gefertigten Edelwerke teils deutlich empfindlicher als die hochwertigen Serienwerke.

Nachteil 6: Mechanische Uhren und vor allem Automatikuhren bauen deutlich höher als Quarzuhren. Auch hier liegt es im Auge des Betrachters, ob das als Nach- oder Vorteil gesehen wird. Manch einer mag lieber große ausdrucksstarke Uhren, ein anderer bevorzugt flache elegante Uhren.

Auch hier gibt es erstaunliche Entwicklungen, wie das bereits erwähnte ETA 2893-2, welches trotz Automatikantrieb inklusive Rotor mit einer Bauhöhe von nur 3,7 mm (!) auskommt. Zum Vergleich: ein durchschnittliches Quarzwerk hat auch immerhin eine Bauhöhe von 2,5 mm.

Je nach verwendetem Werk oder Gehäusegestaltung kann somit auch eine Automatikuhr durchaus schlank erscheinen.

Dies ist ein kurzer Überblick über die Vor- und Nachteile von mechanischen Uhren. Sie sind die charakterstarken Modelle im Vergleich zu Quarzuhren. Dies bringt mit sich, dass sie mehr „Zuwendung“ benötigen, zum Beispiel regelmäßig aufgezogen werden müssen. Für Kenner ist dies jedoch ein geliebtes Ritual und damit positiv konnotiert.

 Im zweiten Teil des Artikels namens „Mechanische Uhr vs. Quarzuhr – Teil 2: Uhren mit elektrischem Antrieb“ finden Sie interessante Informationen über Quarzuhren mitsamt ihren Vor- und Nachteilen.

Erleben Sie Zeit neu!

Ihr Klaus Botta

Klaus Botta

 

Erfahren Sie mehr zum Thema Uhrentechnik:

Was ist Saphirglas und was leistet eine hochwertige Antireflex-Beschichtung?

Titan – Das Edel-Leichtmetall

Was ist eine Uhrenrevision?

Original vs Plagiat – So erkennen Sie die Unterschiede

1 Kommentar


  • Johannes Brand

    Lieber Herr Botta,
    vielen Dank für diesen schönen Artikel. Da ja die F.A.S. seit Kurzem immer schon samstags geliefert wird, hat man sonntags fast nichts mehr zu lesen. Gerade deshalb ist dieser Beitrag so erfrischend. An einer Stelle aber haben Sie ungenau recherchiert. Ihr “Nachteil 3” stimmt so nicht. Es gibt wesentlich ganggenauere Uhren als solche, die Abweichungen von -0/+20 Sekunden pro Tag haben…
    Bspw. weicht die Defy Lab von Zenith nur höchstens +/-0,3 Sekunden pro Tag ab.
    Viele Grüße aus Aachen
    Johannes Brand


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